Die drei Grossereignisse Seveso, Rheinhalle und Bhopal haben einer breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht, dass der industrielle EInsatz chemischer Verfahren ganz bestimmte Risiken mit sich bringt. Seither gilt die chemische Industrie vielerorts als Inbegriff des “Unnatürlichen” und Gefährlichen. “Chemie” wurde zum Schimpfwort. Paradoxerweise ist der Alltag moderner Industriegesellschaften in einem sehr hohen Masse gerade von Produkten dieser Industrie abhängig. Ohne Chemie geht heute nichts.
Auf dem Hintergrund dieses gesellschaftlichen Kontexts geht die Sommerakademie in drei thematische Blöcken dem Verhältnis von Chemie und Gesellschaft nach:
- Philosophie und Chemie: Thema ist hier die Sprache der Chemie, die Struktur chemischen Wissens und die Frage, unter welchen perspektivischen Einschränkungen sie Wirklichkeit thematisiert. Gefragt wird, ob und welche anderen Wahrnehmungsformen in Alltag und Kunst möglich sind.
- Wirtschaft und Industrie: Es sollen Einblicke in die Strategie, Philosophie und die Zukunftsperspektiven eines Unternhemens gegeben und speziell Fragen der Versicherung von Risiken thematisiert werden.
- Lebenswelt und Politik: Die Dominanz synthetischer und makromolekularer Chemie im Alltag löst vielerorts Ängste aus: Wie könnten die diesbezüglichen Risiken kontrolliert werden? Ist eine spezielle Risiko-Ethik zu entwickeln? Thema ist auch die Frage, wie Menschen in den komplexen Lebenswelten der Moderne eine Kultur des Umgangs mit dem Unverfügbaren entwickeln könnten.
Fallbeispiele (Baumwolle, Silikon) sollen diese thematischen Blöcke veranschaulichen und die Problemstellung vertiefen.
Leitung:
Prof. Armin Reller, Institut für anorganische Chemie, Universität Augsburg
Dr. Markus Huppenbauer, Theologie und Philosophie, Zürich
Urs Berger, Direktor Basler Versicherung
Teilnahme:
Studierende jeder Fachrichtung ab dem zweiten Semester
Literatur:
*Peter Janich/Nikolaos Psarros (Hrsg.), Die Sprache der Chemie, Würzburg (Königshausen&Neumann) 1996
*Markus Huppenbauer/Armin Reller, Stoff,Zeit und Energie. Ein transdisziplinärer Beitrag zu ökologischen Fragen, in GAIA 5 (1996) no.2, p.103-115
*Julian Nida-Rümelin, Ethik des Risikos, in: Julian Nida-Rümelin (Hrg.), Angewandte Ethik. Die Bereichethiken und ihre theoretische Fundierung. Ein Handbuch, Stuttgart (Kröner) 1996, pp.806-830
Die Lektüre der Artikel ist nicht obligatorisch. Im Juni 1999 erhalten die Teilnehmer/innen eigens einen Reader zugeschickt.