Samstag, 4. August 2018 (Anreisetag) bis Samstag, 11. August 2018 (Abreisetag)
Allenthalben ist heute zu hören, dass die Demokratie sich in der Krise befinde; nicht nur aufgrund der Bedrohung von außen, etwa durch Terrorismus oder massive Migrationsbewegungen, sondern vor allem durch eine innere Erosion: durch „Populismus“ von den linken und rechten Rändern. Das ist allerdings nicht so selbstverständlich wie es klingt: Demokratie ist eine Herrschaftsform, in der – Abraham Lincoln zufolge – die Regierung „of the people, by the people, for the people“ erfolgt. Das Volk (lat. populus) regiert sich demzufolge selbst, ob „direkt“ oder repräsentativ. Vielerorts wird überdies ein Demokratieverlust beklagt angesichts technokratischer Verlagerungen von politischen Entscheidungen in juristische oder administrative Abteilungen, die nicht mehr demokratisch legitimiert sind (Ranciere 2002, Crouch 2009). Könnten populistische Strömungen als eine Art „Gegenbewegung“ verstanden werden, die diesem Demokratieverlust entgegenstreben? Ist es vielleicht nicht gerade eine „Politisierung“ der Öffentlichkeit, wie sie etwa Habermas lange Zeit gefordert hat? Was ist da an einem „Populismus“ also eigentlich zu bemängeln?
Die Kritik am Populismus ist näher betrachtet die, dass Demokratie eine komplexe Angelegenheit sei: Es gibt Mehrheiten zu vermitteln sowie Regeln und internationales Recht zu beachten. Dem Populismus wird damit vorgeworfen, er reduziere diese Komplexität auf zu einfache Schlagwörter, um so das vermeintlich homogene „Volk“ gegen die Eliten zu mobilisieren. Überdies seien Populisten „anti-pluralistisch“ (Müller 2016) und deshalb undemokratisch, weil sie behaupten, nur ein Teil des Volkes gehöre wirklich zum Volk und nur sie als Populisten könnten dieses wahre Volk repräsentieren. Setzen die Emotionalisierung und Vereinfachung von Politik sowie der konfrontative Stil der Populisten die Errungenschaften von Jahrhunderten der Demokratisierung und Liberalisierung aufs Spiel? Wo verläuft die Linie zwischen notwendiger Komplexitätsreduktion und demagogischer Vereinfachung in der Arena der politischen Auseinandersetzungen?
In dieser Sommerakademie möchten wir diesen Fragen nachgehen, indem wir uns die Strategien und die Inhalte des Populismus näher anschauen, die Mechanismen untersuchen, die ihnen zum Erfolg verhelfen und auch überlegen, wie Demokratien mit Populisten umgehen sollten. Welche Rolle spielen die Medien für den Erfolg der Populisten? Und gibt es Strategien für eine moderate, sich liberal verstehende Mitte, sich auf diesen neuen Stil einzustellen, ohne „undemokratisch“ zu werden? Es gibt inzwischen eine umfangreiche internationale Diskussion zu diesen Fragen, in ganz unterschiedlichen Fächern wie Philosophie, Soziologie oder Politikwissenschaft. Diese Debatte sehen wir uns in diesem Kurs in Auszügen näher an und diskutieren die einschlägigen Fragen mit zwei Experten.
Arbeitssprachen: Deutsch und Englisch
Leitung: Dr. Michael Räber, Ethikzentrum Universität Zürich und PD Dr. Christoph Henning, Max Weber Kolleg, Universität Erfurt
Dozierende: Externe Referenten zu den oben angedeuteten Themenkreisen werden beigezogen. Roger de Weck, Publizist und ehemaliger Generaldirektor der SRG
Teilnehmende: Interessierte Studierende aus allen Studienrichtungen. Sowohl Geförderte der Schweizerischen Studienstiftung als auch weitere Studierende der Schweizer Hoch- und Fachhochschulen sind eingeladen, an den Sommerakademien teilzunehmen. Letztere werden gebeten, ihre Bewerbung bestehend aus einem Motivationsschreiben, einem Kurz-CV sowie der Angabe einer Referenzperson an info@studienstiftung.ch zu schicken.
Reader Ein Reader wird rechtzeitig vor Akademiebeginn verteilt. Erwartet wird die Bereitschaft ein Referat zu übernehmen. Gelesen und diskutiert werden Texte u.a. von Giorgio Agamben, Alain Badiou, Judith Butler, Colin Crouch, Jürgen Habermas, Cristóbal Rovira Kaltwasser, Ernesto Laclau, Chantal Mouffe, Cas Mudde, Jan-Werner Müller, Jacques Rancière, Bernd Stegemann.
Veranstaltungsort: Centro Evangelico, Magliaso (TI)
Koordination: Dr. Sarah Beyeler
Administration: Nathalie Ellington
Allgemeine Informationen: → PDF
Die Sommerakademien in Magliaso werden durch reatch redaktionell begleitet. Redakteurinnen und Redaktoren sind Geförderten, die sich in den verschiedenen Arbeitsgruppen engagieren. Ziel der Kooperation mit reatch ist es, einen besseren Austausch der Akademien zu erreichen und einen nachhaltigen Mehrwert für Teilnehmer und Öffentlichkeit zu schaffen. Ein Journal in Form eines internen Blogs bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich über die anderen Akademien zu informieren und Gedanken, Ideen und Diskussionen zu teilen. Nach Abschluss der Akademien ist geplant, die Inhalte der Akademien in Form von publizierbaren Beiträgen (Berichten, Blog-Einträge etc.) festzuhalten und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.