Den umweltschädlichen Konsum zu stoppen und gleichzeitig unseren Lebensstandard in einem wachstumsorientierten System aufrechtzuerhalten, scheint unmöglich. Doch genau das ist das Ziel der Kreislaufwirtschaft. Vielleicht ist sie die Antwort auf all unsere Probleme?
Ressourcen werden knapp, die Umwelt verdreckt, das Klima überhitzt. Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler*innen und Umweltschützer*innen davor, dass die Natur sehenden Auges in den Klimanotstand rast. Klar ist: Eine Ursache dafür ist die Art und Weise wie wir wirtschaften: Ressourcen werden abgebaut, um daraus Güter zu erstellen, die nach dem Gebrauch mehrheitlich weggeworfen oder verbrannt werden. Deshalb verstauben T-Shirts nach einmaligem Tragen im Schrank und noch funktionstüchtige Smartphones landen auf der Mülldeponie.
«Lineares Wirtschaften» nennt sich das – und die Stimmen, welche eine Abkehr davon fordern, werden immer lauter. Einige fordern mehr Verzicht, um die Klimakrise zu bewältigen. Andere sind überzeugt, dass man den Fünfer und das Weggli haben kann und predigen materielle Reinkarnation statt Genügsamkeit.
Die sog. «Kreislaufwirtschaft» (engl. circular economy) setzt sich zum Ziel, Ressourcen möglichst lange im Wirtschaftssystem zu behalten: Kaputte Kühlschränke sollen repariert statt weggeworfen, Smartphones und Computer nicht vollständig ersetzt, sondern spezifisch nachgerüstet werden. Was sich gar nicht mehr reparieren lässt, wird möglichst vollständig rezykliert, um Rohstoffe für neue Produkte zu gewinnen. [1]
Prinzip der Kreislaufwirtschaft
Prinzipiell kann die lineare Wirtschaft in mehrere Abschnitte unterteilt werden. Am Anfang von jedem Produkt werden die nötigen Rohstoffe gewonnen. Die Produktion selbst wird in drei weitere Abschnitte unterteilt: Entwicklung, Herstellung und Vertrieb. Anschliessend wird das Produkt gekauft und bis zum Nutzungsende verwendet. Die letzte Stufe ist die Entsorgung. Dieses Modell wird auch «Cradle to Grave» genannt, also von der Wiege zum Grab. [2]
Die Kreislaufwirtschaft ersetzt den Abschnitt Entsorgung mit Zirkulation, um das Produkt in den Kreislauf zurückzuführen. Wie sinnvoll das Kreislaufmodell ist, wird dadurch entschieden, auf welche Ebene die Zirkulation abzielt. Je kleinere Schritte bzw. Kreise das Produkt in der Zirkulation machen muss, desto effektiver ist das Wirtschaftssystem, da weniger Rohstoffe und Energie für Verarbeitung, Transport usw. genutzt werden. [3] Am effektivsten ist es, wenn nach dem Nutzungsende die Lebensdauer des Produkts verlängert wird. Das Nutzungsende ist dabei eine subjektive Bewertung des Sacheigentümers. Zum Beispiel, wenn einer Person ihre lange Hose nicht mehr gefällt und sie die Hose entsorgen möchte, obwohl sie noch vollkommen in Ordnung ist. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft könnte die Hose mit Klebern beklebt oder es können Muster aufgenäht werden, um so die Hose für den Eigentümer wieder attraktiv zu machen. Die weniger klimafreundliche Variante ist, wenn das Velo «umverteilt» wird, wenn das Produkt den Eigentümer wechselt. [4]
Viel aufwendiger ist die Aufarbeitung, in der das Produkt zuerst repariert oder modifiziert werden muss. Am energieaufwändigsten ist das Rezyklieren, bei dem das Produkt wieder in seine Rohstoffe gespalten werden muss. So kommt es beispielsweise oft vor, dass bei minderwertigen Kunststoffen (Beispielsweise Kunststoff-Strohhalme), die energetische Verwertung, also die Kehrichtverbrennung, sowohl ökonomischer wie auch umweltfreundlicher ist. [5]
Die Vertreter der Kreislaufwirtschaft setzen auch grosse Hoffnungen in die technologische Innovation, die das Rezyklieren effizienter und energieschonender machen soll. Das kann auf der Ebene des Rezyklierungs- oder des Produktionsprozesses geschehen: Idealerweise werden Produkte so hergestellt, dass sie sich möglichst einfach wieder in ihre Einzelbestandteile zerlegen lassen. Ist das nicht möglich, sollen technische Verfahren beim Rezyklieren dabei helfen, die Rohstoffe eines Produktes effizienter zu trennen. [6]
Unternehmensmodelle der Kreislaufwirtschaft
Die technische Innovation ist nur der Anfang einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Die grösste Verantwortung für den Übergang von der linearen in die Kreislaufwirtschaft liegt bei den Unternehmen und Konsumenten selbst. Die Unternehmen müssen den Konsumenten ein attraktives Angebot machen. Neben Nachhaltigkeit muss unter anderem auch die Qualität, der Zugang, der Nutzungskomfort und der Preis stimmen. Nur wenn die Unternehmen für die Konsumenten ein attraktives Angebot machen, können sie sich die Nachfrage zusichern, um mit den konventionellen bzw. den linear funktionierenden Unternehmen zu konkurrieren.
Ein geschlossener Material- und Stoffkreislauf kann nicht nur die Umwelt schonen, sondern würde sich in gewissen Fällen auch wirtschaftlich lohnen. Indem Produkte repariert oder deren Bestandteile als Materialien wiederverwertet werden, sinkt die Abhängigkeit von Primärressourcen. Auch kann dadurch einer ineffizienten Endentsorgung entgegengewirkt werden. Gleichzeitig schafft die Kreislaufwirtschaft neue Industriezweige – irgendjemand muss schliesslich den aussortierten Produkten wieder ihre Ressourcen entlocken. Reparaturen und Wartungen eröffnen zudem neue wirtschaftliche Nischen im Dienstleistungssektor. [7]
Wirtschaftsunternehmen können heute auf verschiedene umweltfreundliche Modelle zurückgreifen. Beim sog. «Long-Life-Model» stellen die Unternehmen hochqualitative und langlebige Produkte her. Nicht nur die eingesetzten Rohstoffe und die Konstruktion ist für die Langlebigkeit entscheidend. Auch ein zeitloses Design, das sich Modetrends widersetzen kann, ist gefragt. So ist der rot-blaue Stuhl von Gerrit Thomas Rietveld seit über 100 Jahren ein Hingucker. Auch bei individualisierten oder handgefertigten Produkten kann der Kunde eine stärkere emotionale Beziehung aufbauen. Mit Sorge und Pflege kann die Lebensdauer des Produkts verlängert werden. [8] Diesem in der Psychologie nachgewiesenem Effekt bedient sich erfolgreich seit Längerem ein schwedischer Möbelhersteller. [9]
Beim «Gap-Exploiter-Modell» akzeptiert das Unternehmen, dass ein Produkt aus Komponenten besteht, die eine jeweils unterschiedliche Lebensdauer haben. Die Komponenten mit schnellerem Verschleiss werden aus biologisch abbaubaren Produkten hergestellt und so eingebaut, dass nur die entsprechende Komponente ausgewechselt werden kann. [10] Deshalb muss beispielsweise nicht das ganze Sofa, sondern nur der Sitzbezug ausgewechselt werden. Indem das Unternehmen nebst dem Produkt auch die Ersatzteile anbietet, bindet es seine Konsumenten an sich.
Der Teufel steckt im Detail
Ob die Kreislaufwirtschaft ökologisch nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich ist, hängt von der Umsetzung ab. Die Kreislaufwirtschaft steht vor vielen Herausforderungen. Technischer Fortschritt und Innovation sind genauso wichtig wie mutiges Unternehmertum. Am Ende ist es jedoch immer der Kunde selbst, der entscheidet, ob neue Wirtschaftsmodelle sich durchsetzen oder nur Theorien bleiben. [11]
Referenzen:
[1] Rudolph C., Geschäftsmodell Circular Economy: Gegenwart und Zukunft der (erweiterten) Kreislaufwirtschaft. In Bungard Patrick. CSR und Geschäftsmodelle – Auf dem Weg zum zeitgemässen Wirtschaften; Köln 2018. [2] Braungart M., McDonough W., Cradle to Cradle: Einfach intelligent produzieren; Müchen 2014. [3] Walcher D., Leube M., Kreislaufwirtschaft in Design und Produktmanagement: Co_creation im Zentrum der zirkularen Wertschöpfung; Wiesbaden 2017. [4] Rudolph 2018. [5] Blum N.U.,Haupt M., Bening C.R., Why “Circular” doesn’t always mean “Sustainable”, In Resources, Conservation and Recycling Volume 162, November 2020. [6] Walcher 2017. [7] Walcher 2017. [8] Bakker C., den Hollander M., van Hinte E., Zijlstra Y., Products that last: product design for circular business models; Delft 2014. [9] Norton M. I. Mochon D., Ariely D., The IKEA Effect: The IKEA Effect: When Labor Leads to Love; Journal of Consomer Psychology 22 (3) 457ff; 2012. [10] Bakker C., den Hollander M., van Hinte E., Zijlstra Y., Products that last: product design for circular business models; Delft 2014. [11] Blum (2020).Tomas Marik ist Redaktor von JetztZeit.Blog und studiert im Master European Global Studies an der Universität Basel. Er ist Geförderter der Schweizerischen Studienstiftung.
Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen der Sommerakademie «Nachhaltige Kreislaufwirtschaft» der Schweizerischen Studienstiftung und wurde redaktionell begleitet von Reatch. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder und entspricht nicht zwingend derjenigen von Reatch oder der Schweizerischen Studienstiftung.