Das Mercator Kolleg für internationale Aufgaben ist ein deutsch-schweizerisches Stipendienprogramm, welches in der Schweiz während 15 Jahren von der Stiftung Mercator Schweiz und der Schweizerischen Studienstiftung in Kooperation mit dem Eidgenössischen Amt für auswärtige Angelegenheiten (EDA) durchgeführt wurde. Der aktuelle Jahrgang 2023/2024 des Mercator Kollegs war nun der letzte Jahrgang mit schweizerischer Kollegbeteiligung. Die fünf Schweizer Stipendiat:innen berichten von ihrer Programmbeteiligung.
Nachhaltiger Handel, die globale Strafjustiz, Dekolonisierung, Wasserkooperationen und globale Lieferketten: Mit diesen Themen setzten sich die fünf Schweizer Stipendiat:innen des Jahrgangs 2023/2024 des Mercator Kollegs für internationale Aufgaben auseinander. Gemeinsam mit 20 Teilnehmenden aus Deutschland bereiteten sie sich im September 2023 in einem zweiwöchigen Seminar in Essen und Berlin auf ihre Einsätze in aller Welt vor. Nicht nur ihre Fragestellungen haben die Teilnehmenden selbst entwickelt, auch ihre Arbeitsstationen in internationalen Organisationen, global tätigen Nichtregierungsorganisationen oder Wirtschaftsunternehmen organisierten sie während des Stipendienjahres eigenverantwortlich. Dabei wurden sie von der Programmleitung und den Rektoren des Mercator Kollegs unterstützt. Seminare zu internationalen Themen und zur Entwicklung von Schlüsselkompetenzen ergänzten das Programm.
Das deutsch-schweizerische Stipendienprogramm führten in der Schweiz während 15 Jahren die Stiftung Mercator Schweiz und die Schweizerische Studienstiftung in Kooperation mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten durch. Der aktuelle Jahrgang 2023/2024 des Mercator Kollegs für internationale Aufgaben war der letzte Jahrgang mit schweizerischer Kollegbeteiligung. Die Stiftung Mercator Schweiz zieht sich aus dem deutsch-schweizerischen Programm zurück. Die Schweizerische Studienstiftung bedankt sich für die langjährige wertvolle Unterstützung und die fruchtbare Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen. Denn die vergangenen Jahre zeigen: Das Programm ist ein Türöffner für berufliche Tätigkeiten im internationalen Umfeld. Ehemalige Stipendiat:innen arbeiten heute beispielsweise bei der Weltbank, beim Bundesamt für Umwelt, als Medienkorrespondent:innen beim SRF, bei Helvetas und im diplomatischen Dienst.
Für den Jahrgang 2023/2024 des Mercator Kollegs für internationale Aufgaben wurden fünf Schweizer Stipendiat:innen ausgewählt, die sich mit den folgenden Themen auseinandersetzen werden:
- Gian Clavadetscher widmete sein Kollegjahr einem kooperativeren Ansatz für globale Strafjustiz.
- Sabine Fankhauser beschäftigte sich mit der Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten.
- Julia Gubler beschäftigte sich im Rahmen des Mercator Kollegs mit nachhaltigem Handel und Umweltgerechtigkeit, speziell in Bezug auf die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen.
- Baptiste Michellod beschäftigte sich mit dem Thema der grenzüberschreitenden Wasserkooperation.
- Priya Mohanty widmete sich der Dekolonisierung der internationalen Zusammenarbeit.
Informationen über das Mercator Kolleg für internationale Aufgaben: www.mercator-kolleg.ch
Erfahrungen der Schweizer Stipendiat:innen des Programmjahrs 2023/2024
Gian Clavadetscher
Kooperativer Ansatz für Globale Strafjustiz
Als Mercator Fellow beschäftigte sich Gian Clavadetscher mit dem gegenseitigen (un-) Verständnis von multilateralen Strafverfolgungsinstitutionen und den betroffenen Communities. Dabei fokussierte er sich zuerst auf die Schnittstellen zwischen UN-Straftribunalen und betroffenen Ländern in der Balkanregion, die noch immer den Krieg der 90er-Jahren aufarbeiten. Während die Unterstützung der UN für die Vergangenheitsarbeit der Balkanregierungen unerlässlich ist, limitierte der UN-Sicherheitsrat das direkte Engagement mit Opfern der untersuchten Verbrechen – ein Versäumnis das der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) nicht zu wiederholen hofft!
Um diese direkte Beziehung zwischen einem internationalen Gericht und den betroffenen Communities besser zu verstehen, arbeitete Gian in der zweiten Hälfte seines Kollegjahres für die Victims Participation and Reparation Section (VPRS) des IStGH in Den Haag und Kampala. Mit Schwerpunkt auf Wiedergutmachungszahlungen in Uganda und der Demokratischen Republik Kongo war er in direktem Kontakt mit Betroffenen in der Region und unterstützte diese dabei, das wirre Konstrukt der «Internationalen Gerechtigkeit» etwas besser zu verstehen und ihren Ansichten bei den Richtern im weitentfernten Den Haag Gehör zu verschaffen.
Gian studierte Law & Economics and der Universität St. Gallen (B.A.) und erwarb einen Master in Public International Law an der Leiden University (LL.M.) mit Schwerpunkt auf Völkerstrafrecht. Vor dem Mercator Kolleg arbeitete er beim Grotius Centre for International Legal Studies, der Schweizerischen Botschaft in den Vereinigten Staaten von Amerika und Ernst & Young in Zürich.
Sabine Fankhauser
Sozialer und ökologische Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten
Sabine Fankhauser beschäftigte sich während des Mercator Kollegs mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten. Während ihrer ersten Stage bei Nestlé in Vevey arbeitete sie an der Stärkung von Menschenrechts- und Umweltstandards in der Rohstoffbeschaffung. Diese Erfahrung gab ihr einen tiefen Einblick in die Herausforderungen und Chancen, die sich für grosse Unternehmen bei der Umsetzung nachhaltiger Lieferketten ergeben.
Ihre zweite Station führte Sabine an den Anfang der Schokoladenlieferkette – in die Côte d’Ivoire, wo sie für UNICEF und die GIZ mit Kakaobauern zusammenarbeitete, um nachhaltige Praktiken direkt an der Basis zu fördern. Während ihrer dritten Stage arbeitete Sabine bei Barry Callebaut in Zürich und Ordu an Lösungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Haselnussproduktion. Dabei lernte sie, welche sozialen und ökologischen Hürden überwunden werden müssen, um positive Veränderungen in den Anbauländern zu erreichen.
Vor dem Mercator Kolleg sammelte Sabine Erfahrungen im Bereich Unternehmensverantwortung unter anderem beim Institute for Human Rights and Business und beim Europarat. Sie hat Internationales Management, Internationale Beziehungen und Rechtswissenschaften in St. Gallen und London studiert.
Julia Gubler
Globaler Handel und Nachhaltigkeit: Eine Umweltgerechtigkeitsperspektive
Julia Gubler befasste sich während ihres Kollegjahres mit der nachhaltigen Gestaltung von Handelspolitik. Dabei interessierte sie sich speziell dafür, wie nachhaltiger Handel Umweltschäden und damit verbundene Menschenrechtsprobleme vermeiden und vermindern kann. Julia startete ihr Mercator-Jahr in Bern beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), wo sie einerseits zu Nachhaltigkeitsbestimmungen in Freihandelsabkommen und andererseits zu Handelsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit arbeitete.
Während ihrer zweiten Station bei Helvetas Peru in Lima hat sie sich intensiv mit den direkten Auswirkungen des Klimawandels auf Kleinbäuerinnen und -bauern in den Anden beschäftigt und Zusammenhänge mit dem globalem Handelssystem aufgezeigt. Ihr Jahr beendete Julia in Genf, beim Institute for Sustainable Development (IISD), wo sie sich mit Handel aus einer Perspektive der Entwicklunsgländer auseinandersetzte. Dazu untersuchte sie den Handel von Rohstoffen für eine grüne Wirtschaft, und analysierte, wie Handelspolitik genutzt werden kann, um Klimaanpassung voranzutreiben.
Julia hat ihren Master in International Governance and Diplomacy mit einem Fokus auf Klima- und Umweltpolitik an der Sciences Po Paris abgeschlossen. Zuvor sammelte sie Erfahrung bei der Mission der Schweiz bei der EU in Brüssel und als Forschungsassistentin an der Universität Genf.
Baptiste Michellod
Die Zusammenarbeit auf internationalen Gewässern
Während seines Mercator-Jahres konzentrierte sich Baptiste auf die Frage, wie die Zusammenarbeit auf internationalen Gewässern zu Klimaresilienz und inklusiven, nachhaltigen Entwicklung beitragen kann. In seiner ersten Rotation bei der GIZ in Usbekistan integrierte Baptiste ein regionales Projektteam zur Förderung des grenzüberschreitenden Dialogs über Klima, Umwelt, Wasser und Sicherheit. Er erforschte die Entwicklungsfinanzierungsströme im Klima-, Energie- und Wassersektor in der Region und war an der Organisation eines regionalen Treffens zur Wiederbelebung der Zusammenarbeit entlang der Flüsse Amu Darya und Syr Darya beteiligt.
Während seiner zweiten Station am IHE Delft in den Niederlanden forschte Baptiste zu den Zusammenhängen zwischen Klimawandel, Wasserknappheit und Konflikten und war mitverantwortlich für die Organisation einer Konferenz in Kasachstan zuständig, die sich mit den Auswirkungen von Staudämmen auf die Konflikt- und Kooperationsdynamik auseinandersetzte. In seiner dritten Station bei der Weltbank in Washington, DC, arbeitete Baptiste für einen Multi-Geber-Fonds, welches afrikanische Regierungen bei der Bewältigung von Hindernissen für die kooperative Bewirtschaftung und Entwicklung grenzüberschreitender Gewässer unterstützt. Dort war Baptiste Mitverfasser einer Bilanz der bisherigen Ergebnisse der Klimaanpassungen und -minderungen des Programms.
Vor seinem Mercator-Jahr arbeitete Baptiste beim Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO) im Bereich wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Er hat Erfahrung im privaten Sektor bei einer Investitionsberatungsfirma in Berlin gesammelt. Baptiste studierte internationale Beziehungen in Genf und erwarb einen M.A. in International Affairs an der Hertie School in Berlin.
Priya Mohanty
Urbane Narrative hinterfragen
Als Mercator Fellow hinterfragte Priya Mohanty urbane Narrative, die in kolonialen Strukturen und Machtungleichgewichten verwurzelt sind und durch internationale Zusammenarbeit aufrechterhalten werden. In ihrem Projekt ging sie Ansätzen nach, welche alternative urbane Zukünfte gemeinsam mit Stadtbewohner:innen ko-produzieren, und untersuchte, wie diese den vorherrschenden Diskurs erreichen können. Sie begann ihr Mercator-Jahr bei der Organisation ylabs (Kigali, Ruanda), wo sie mit jungen Menschen in Lagos und Nairobi an Klima-Kampagnen für eine inklusivere und nachhaltigere Stadt gearbeitet hat.
In ihrer zweiten Station unterstützte sie in Nairobi, Kenia, die NGO Kounkuey Design Initiative (KDI) bei der Erarbeitung eines praktischen Leitfadens für integrative und inklusive informelle Siedlungen in Kenia, welches das Wissen und die Erfahrungen von Bewohnenden der informellen Siedlungen ins Zentrum stellt. Dabei konnte sie ebenfalls Einblicke in Projekte gewinnen, worin betroffene Communities Entscheidungsmacht bei der Konzipierung und Umsetzung von urbanen Projekten tragen.
Parallel dazu arbeitete sie bei UN-Habitat mit dem Global Public Space Team an normativeren Ansätzen für inklusivere Städte. Ihr Jahr beendete sie am University College London (UCL), Grossbritannien, wo sie den Aufbau des Decolonial Collaboratorium unterstützt hat, welches Wissenschaftler:innen, Studierende, und Stadtbewohner:innen zusammenbringt, um intersektionale räumliche Narrative, Vorstellungen und Praktiken zu erforschen.
Priya sammelte zuvor Arbeitserfahrungen unter anderem bei swisspeace, der GIZ Indien und der ETH Zürich. Priya absolvierte einen M.Sc. in Development Studies an der SOAS, University of London und einen B.A. in Internationalen Beziehungen an der Universität St. Gallen.
Die Schweizerische Studienstiftung fördert interessierte, engagierte und leistungsstarke Studierende. Politisch neutral und unabhängig setzt sie sich dafür ein, dass junge Menschen die besten Voraussetzungen erhalten, ihren Wissensdurst zu stillen, neue Ideen zu entwickeln und ihren Platz in der Gesellschaft auszufüllen. Die ins Förderprogramm aufgenommenen Studierenden erhalten Zugang zu interdisziplinären Bildungsangeboten, individueller Beratung, finanzieller Unterstützung sowie vielfältigen Vernetzungsmöglichkeiten. Weitere Informationen (Link)
Die Stiftung Mercator Schweiz: Gesellschaftlicher Wandel braucht Mut, Kreativität und kollektives Handeln. Dies möchte die Stiftung Mercator Schweiz fördern, um die Zukunft mitzugestalten. Die Stiftung entwickelt, erprobt und verbreitet zusammen mit ihren Partner:innen Ideen zur Lösung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen. Sie initiiert und unterstützt zukunftsweisende Projekte, stärkt zivilgesellschaftliche Organisationen, schmiedet und unterstützt breite Allianzen. Damit möchte sie soziale Innovation ermöglichen und Entwicklungen für eine offene, chancengerechte und ökologisch nachhaltige Gesellschaft anstossen. Weitere Informationen (Link)
Ansprechperson Schweizerische Studienstiftung:
Dr. des. Serina Heinen
Tel.: 044 233 33 12; E-Mail: serina.heinen@studienstiftung.ch
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